Gut dass es sie gibt: die Testberichte. Sie sind wichtig um einen Eindruck von einem Gerät zu erhalten und helfen nicht wenigen Käufern bei der Kaufentscheidung. Jedoch sollte man Testberichten wie es sie für jedes Smartphone, Tablet oder jeden Computer gibt nicht blind vertrauen.

Jeder Testbericht darf ein wenig hinterfragt werden, gerade im Bezug zur Realität. An dieser Stelle nenne ich euch 6 Punkte, die mich an Smartphone-Tests immer wieder stören, wenn die Hardware und Systeme von Apple, Google und Microsoft miteinander verglichen werden.

• Sprachsteuerung: diese bieten alle drei großen Hersteller, Microsoft (TellMe), Google (Voice Search) und Apple mit Siri. Letztere findet häufig Lob bei Testern doch in der letzten Zeit liest man in diversen Testberichten kaum bis gar nix mehr über Apples-Feature. Der Grund ist ganz einfach: es ist schlicht nutzlos im Alltag. Ich befahre täglich das Ruhrgebiet mit öffentlichen Verkehrsmitteln (bekanntlich hat das Ruhrgebiet das dichteste Streckennetz für öffentliche Verkehrsmittel, nicht umsonst fährt der ICE deutschlandweit niergendwo so langsam wie innerhalb des Ruhrgebietes). Bei allen Bahnhöfen wo ich ein- oder aussteige, S- und U-Bahnen sowie Züge die ich benutze, habe ich NOCH NIE eine Person gesehen die Siri nutzt. Wer unterhält sich auch schon gerne mit seinem Telefon, noch dazu wenn auf die meisten Fragen nur Antworten wie „möchtest du, dass ich im Internet nach XY suche“ kommen? Um TellMe und Voice Search steht es nicht besser, Erwähnung finden diese beiden bei Testern nur in negativer Form.
• Die App-Täuschung: tatsächlich bietet die Firma Apple die meisten Apps für sein iOS (über 500.000 Apps stand Juli 2012). Sowohl im Tablet-Bereich als auch für sein iPhone. Hier sollte man aber einen genaueren Blick auf die Apps werfen. Am Beispiel von Apples App-Store: von den 200 umsatzstärksten iPhone-Apps sind über 90 davon irgendwelche Spiele. Darunter zwar bekannte Games wie „Need for Speed“, „Fifa13“, „Angry Birds“ und „Fruit Ninja“,  aber auch weniger bekannte Games wie „Wo ist mein Wasser“ und „Kick the Buddy: Second Kick“. Im Vergleich dazu schaffen es knapp 10 Apps aus der Kategorie „Produktivität“ ihren Platz unter die 200 Umsatzstärksten Apps. Der Rest teilt sich auf aus den Kategorien „Unterhaltung“, „Foto und Bild“, „Dienstleistung“, „Referenz“, „Gesundheit und Fitness“ und „Navigation“. Dennoch sehen viele Tester die Anzahl und nicht die Qualität der Apps als Kriterium zur Bewertung eines Smartphone oder Tablet. Auf Platz 1 ist übrigen „WhattsApp“ –diese App gibt’s auch für alle anderen wichtigen Systeme wie Android und Windows Phone.
• Benchmarks: Benchmarks werden von Testern unheimlich gerne als Leistungsnachweis für Smartphones herangezogen. Vergessen wird dabei allerdings die Tatsache, dass diese Tests die Leistung des jeweiligen Gerätes nur optimal simulieren. Die Realität im Mobilfunknetz sieht jedoch ganz anders aus: abhängig davon, ob man sich auf dem Land (in irgend einem Dorf) oder in einer Metropole wie Frankfurt sich befindet, ist der Empfang natürlich völlig unterschiedlich. Genauso welches Mobilfunknetz man nutzt: z.B. surfe ich in der Bochumer Innenstadt mit meinem HTC 7 Mozart im Telekom-Netz schneller als mit einem iPhone 4S im Eplus Netz.
• Fotovergleich: gerade mit Nokias Lumia 920 sind in den letzten Tagen viele Vergleichsbilder mit aktuellen Smartphones gemacht worden. Die Kollegen von Slashgears.com (http://www.slashgear.com/nokia-lumia-920-pureview-camera-hands-on-vs-samsung-galaxy-s-iii-01255193/) haben das Lumia 920 mit dem Galaxy S3 im Fotowettkampf verglichen. Die Bilder, die mit beiden Smartphones in sehr dunkler Umgebung gemacht wurden sprechen für sich, ich möchte hier jedoch auf die anderen Bilder eingehen: die Aufnahmen im Laub wirken auf dem ersten Blick beim Galaxy S3 ‚herbstlicher’, im Supermarkt bunter und beim rennenden Hund kontrastreicher. Dem ist aber nicht so: bei den Laub-Bildern sieht man klar die farblichen Unterschiede vom Lumia 920, im Supermarkt gibt das Lumia die Lichtumgebung deutlich realistischer wieder, genauso beim rennenden Hund –bei beiden Aufnahmen sieht man eine Überbelichtung des Galaxy S3 (im Supermarkt die Halogenlampen, beim rennenden Hund die weiße Wand die überbelichtet ist). Es ist kein Geheimnis dass Halogenlicht und Tageslicht unterschiedliche Farbtemperaturen haben und diese werden vom Lumia 920 klar realistischer wiedergegeben. Wer dies nicht beachtet kann im Grunde genommen gleich mit einer alten Digitalkamera der ersten Generation knipsen und photoshoppen wie ein Weltmeister. Tester gehen hier viel zu wenig auf die natürliche Wiedergabe der Farbtemperaturen ein.
• Haptik: wie hält sich das Smartphone in der Hand? Man liest durchweg dass das iPhone (sowohl die 4er-Reihe als auch das neue iPhone 5) sehr gut in der Hand liegt. Ich frage mich: was für Tetris-Hände haben eigentlich die Tester? Abgerundete Kanten sind immer bequemer zu halten als scharfe Kanten. Dies liegt nun mal unbestrittener weise in der menschlichen Anatomie. Es gibt nicht wenige iPhone-User die die abgerundete Rückseite des Vorgängers 3G vermissen. Eine Flasche (rund) lässt sich nun mal bequemer halten als ein Backstein (scharfkantig) –auch wenn es eine gefüllte 2Liter Flasche ist. Womit wir auch schon beim Gewicht wären: hier möchte ich neutral bleiben. Es muss jeder für sich wissen, ob man in der Lage ist 20g mehr oder weniger durch den Tag ‘wuchten’ zu können. In jedem Falle muss man kein Bodybuilder sein um ein 20g schwereres Smartphone den ganzen Tag mit sich schleppen zu können.
• Das User-Interface: wie lässt sich das Smartphone-System bedienen? Nun, hier hat Google einen ganz klaren Vorteil (der jedoch auch Nachteil zugleich ist). Google lässt die Hersteller mit seinem OS machen was es will, die Hersteller können ihre selbst entwickelten Oberflächen ganz einfach über Android stülpen und voilà –jeder Hersteller hat seine eigene individuelle Oberfläche. So unterscheiden sich die Hersteller von anderen Android-Produzenten zwar und können wie im Fall Sony die von der Playstation bekannte X-Cross-Media Bar als Bedienelement einfügen. Wechselt man allerdings irgendwann auf einen anderen Androiden wie z.B. auf ein HTC-Android Gerät bedarf es eine Eingewöhnungszeit um sich mit der Sense-Oberfläche vertraut zu machen. Das Galaxy S3 z.B. bietet zig Möglichkeiten es individuell zu gestalten: Apps, Seiten, Widges –es gibt nichts, was man im Grunde nicht für sich selbst einstellen kann. Aber genau diese Tatsache war für mich ein  riesiges Problem als ich das Galaxy S3 hatte: ich wurde regelrecht erschlagen von der Vielfalt.  Das User-Interface vom iPhone ist altbekannt wie altbacken: Seite für Seite alle Icons schön im Raster angeordnet. Das gab es schon im Jahr 2007 und hat sich seit fünf Jahren nicht geändert. Gut, eine Nachrichtenzentrale ist hinzugekommen, genauso wie „Multitasking“ in seiner absolut abgespecktesten Form. Mit iOS 6 kann man nun auch aus dem OS heraus tweeten (was Windows Phone 7 im übrigen 2 Jahre zuvor schon konnte). Und nach 5 Jahren mit unzähligen iOS-Versionen und Updates hat es Apple nun auch endlich geschafft einer angefangen Email einen Anhang beizufügen. Das diese elementare Funktion iOS fünf Jahre lang nicht konnte, war in kaum einem Testbericht zu lesen, geschweige denn kritisiert worden. Windows Phone ist beim User-Interface deutlich angenehmer, besonders wenn man auch Twitter und Facebook nutzt: im Kontakte-Hub alles aktuelle aus den Sozialen-Netzwerken im Überblick, ein Klick auf einen Kontakt und ich sehe welche Posts, Bilder und Videos veröffentlicht wurden. Alle weiteren wichtigen News, wie verpasste Anrufe und SMS werden mir auf der Startseite angezeigt, alle weniger wichtigen Apps sind auf Seite 2 in der alphabetisierten Liste zu finden. Fertig. Keine Notwendigkeit für separate Facebook- und Twitter-Apps.  Diese Tatsache wird bei Windows Phone von Testern sehr selten erwähnt.

Anmerkung: ich bin seit 13 Jahren Apple-User, also noch vor der iPhone-Generation Fan von Apple gewesen, die letzten 2 Jahren jedoch alles andere als überzeugt. Apple wird hier überwiegend wie auch bei den meisten Testern nur als Maßstab genommen.

Firat