Um den einstigen Smartphone Pionier HTC steht es momentan nicht gut: kontinuierlicher Gewinnrückgang, Verlust von Marktanteilen und nun die nächste Hiobsbotschaft: das mittlerweile eigenständige Unternehmen beats by Dre (vorher mit Monster, die Firma die auch die Purity-Kopfhörer für die Lumia-Reihe herstellt) möchte laut Wall Street Journal ebenfalls das sinkende Schiff verlassen und die restlichen 25% Beteiligung von HTC in Aktien zurückkaufen.

Für beats by Dre hat sich die Kooperation mit HTC anscheinend gelohnt, kann man doch sagen dass die Zusammenarbeit mit dazu beitrug, dass sich das Unternehmen im Segment der „Premium-Kopfhörer“ etabliert hat.

Für HTC hingegen ist das Vorhaben des Kopfhörer-Herstellers wohl ein weiterer Tiefschlag, verlieren die Taiwanesen doch ihr letztes Alleinstellungsmerkmal im hart umkämpften Smartphonemarkt. Sollte beats by Dre tatsächlich aus dem HTC-Deal aussteigen, darf die Frage gestellt werden, welche Gründe uns die Taiwanesen geben, sich in Zukunft ein HTC-Gerät zu kaufen.

Hier ist HTC in der Zwickmühle – Betriebssystem unabhängig. Bei Android hat HTC mehr Spielraum: sie können eine eigene (auf die Geräte optimierte) Bedienungsoberfläche und den künftigen Geräten eigene Funktionen verpassen (wie aktuell beim hochgelobten HTC ONE, mit der neuen Sense-Bedienung inkl. „Blink Feed“). Kurz, hier hätte HTC die Möglichkeit das Beste aus allen Smartphone-Betriebssystemen zu vereinen. Designs lassen sich immer weiterentwickeln und das Wettrüsten bei der Display-Auflösung/-Größe, Arbeitsspeicher und Anzahl der CPU-Kerne kann auch ohne weiteres für den Premium-Sektor mitgemacht werden (egal wie sinnig oder unsinnig es ist).

Bei Windows-Phone sieht es schon etwas anders aus, aufgrund der strengeren Vorgaben: HTC darf nichts an der Bedienoberfläche von Windows Phone 8 ändern, folglich fallen eigene, intuitive Bedienoberflächen weg, mit denen man dem User ein eigenes Nutzererlebnis ermöglichen kann. Auch das Wettrüsten ist bei Windows-Phone noch eingeschränkt, erst mit dem kommenden großen Windows Phone 8 Update (GDR3) unterstützt das OS Windows Phone 8 auch Quad-Core CPUs und Full-HD (1920 x 1080 px) Auflösung. Bleibt also nur noch das Design. Wie es geht hat Nokia mit seiner vielfach für Design prämierten Lumia-Reihe vorgemacht. Und nicht wenige Windows Phone Fans würden ein Gerät mit dem Microsoft OS im HTC ONE Gewand begrüßen.

Bleibt noch das Thema Kamera: hier probiert sich HTC mehr schlecht als recht: zu erst wollte man beim 8X mit einer ultraweitwinkel Kamera herausragen. Leider war das kein wirkliches Kaufargument, auch weil die Kamera Fotos nur in durchschnittlicher Qualität machte.

Mit dem HTC One fand die Ultrapixel-Technologie erstmals Einzug in eine Smartphone-Kamera. HTC versuchte sich mit dieser Technologie, bei welcher ein in der Megapixelzahl reduzierter Sensor für eine bessere Bilder bei schwachem Licht sorgen soll, im high-end Kameraumfeld zu positionieren. Durch die eingesetzte Technik wirken die Bilder allerdings schnell etwas detailarm.

Leider war da schon Nokia mit den hauseigenen PureView-Kameras auf dem Markt und lies die HTC-Kamera im Vergleich wieder alt aussehen. Und spätestens seit dem Lumia 1020 hat man den Kampf um ein Alleinstellungsmerkmal bei Kameras verloren – die Messlatte hat Nokia hier sehr hoch gelegt.

Was nun?

Zusätzlich zum Dilemma kommt noch die Konkurrenz aus Japan und Südkorea. Sony mit seiner Xperia- und LG mit seiner Optimus-Reihe haben ihre Fans, Samsung flutet den Markt mit Android-Geräten und hat HTC zum Nischen-Dasein verdammt. Was sich auch auf Windows Phone 8 ausgewirkt hat: Samsungs einziges Windows Phone 8 Gerät ist schon zum Preis von unter (!) 200,-€ zu haben. Mit seinem 4,8“-Display liegt es voll im Trend der Zeit und hat für den User einige praktische Vorteile gegenüber dem 8X. Austauschbarer Akku, SD-Karten-Slot, sehr dünn und leicht, die Optik ist stylisch ohne dabei billig zu wirken. Samsung kann es sich leisten sein Ativ S zu verramschen. Das aktuelle Preis-/Leistungsverhältnis ist super. So hat es Samsung auch geschafft, mit nur einem Gerät HTC bei den Herstellern von Windows Phone 8 Geräten zu überholen.

All das hat die Taiwaner zu Gegenmaßnahmen veranlasst. Eine davon scheint wohl die (vorläufige) Aufgabe im Windows Phone Sektor zu sein. Man will sich mehr auf Android konzentrieren, gab der Smartphone-Hersteller neulich erst bekannt. Verständlich, dominiert Android doch den Markt ganz klar.

Die Taiwaner wirken momentan wie ein taumelnder Boxer, der mit letzter Kraft versucht nicht ausgeknockt zu werden. HTC rebootet sein Image, für Werbefilme wurde gar die Hollywood-Größe Robert Downey Jr. verpflichtet.

Ob all dies HTC verhilft wieder in altes und erfolgreiches Fahrtwasser zu gelangen bleibt abzuwarten. Ohne ein Alleinstellungsmerkmal wird es jedoch zunehmend schwerer sich von der Masse abzusetzen.

Letztlich entscheidet der Kunde über Erfolg oder Misserfolg und wohin die Reise von HTC geht.

Quelle: WSJ, idealo.de